Ronja Räubertochter – ein Rückblick auf das Achtklassspiel
Seit ihrem ersten Erscheinen vor mehr als 40 Jahren hat Astrid Lindgrens »Ronja Räubertochter« nichts von ihrem Zauber und ihrer Aktualität verloren! Ganz unmittelbar konnte war dies in der vergangenen Woche bei den Klassenspiel-Aufführungen der 8. Klasse zu erleben. Mit großer Innigkeit und zugleich auch mit einer ordentlichen Portion an derbem Humor entfaltete sich im Spiel der Schülerinnen und Schüler die Geschichte von der Freundschaft zwischen Ronja und Birk. Auf tief berührende Augenblicke folgten spannende, gruselige und urkomische Stellen. So wirkten die Szenen, wenn die Graugnomen hervor gekrochen kamen oder die Wilddruden aus dem Hintergrund sich näherten und ihr durch Mark und Bein gehendes Geschrei den Saal erfüllte, wirklich schaurig, während die Rumpelwichte mit ihrer drolligen Beharrlichkeit das Publikum immer wieder zum Lachen brachten.
All dies war umrahmt von dem in seiner Schlichtheit genialen Bühnenbild mit den Burgmauern und dem Frühlingswald, der sich im Auge des Betrachters ganz von selbst in einen Sommer- und Herbstwald verwandelte. Auch der Wechsel von der kleinen Ronja und dem kleinen Birk zu den beiden heranwachsenden Räuberkindern wirkte vollkommen stimmig, da beide »Darstellerinnen-Paare« in ihren jeweiligen Szenen ganz in die Erlebniswelt ihrer Rollen einzutauchen und diese auf sehr anrührende und überzeugende Art und Weise darzustellen vermochten. Dass das ganze Stück in die Erinnerungs- Erzählung des alten Glatzen-Per eingebettet war, erwies sich als ein Kunstgriff, dem die tatsächlich haarlose Darstellerin des Glatzen-Per mit ihrer spielerischen Präsenz besonderen Reiz verlieh.
Die beiden Räuberbanden brachten mit so originellen Gestalten wie Klein-Klipp, Pelle und Glatzen-Gerda die Zuschauer zum Lachen, und ließen doch gleichzeitig keinen Zweifel daran aufkommen, dass jeder einzelne von ihnen wild entschlossen war mit seiner Bande durch Dick und Dünn zu gehen. Herrlich, wie den beiden großartigen Räuberhauptmännern ihre äußerst energischen Räuberfrauen Paroli boten und ihnen in vielen Situationen im Grunde haushoch überlegen waren! So verwundert es auch nicht, dass es letztendlich die Räubermutter Lovis war, die mit ihrer warmherzigen Lebensklugheit den in seiner Ehre zutiefst getroffenen Räubervater Mattis zum Einlenken bewegen konnte und damit einem guten Ausgang des Ganzen den Weg zu bereiten vermochte.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch alle diejenigen Schüler:innen, Kolleg:innen und Eltern, die hinter oder neben der Bühne mit ihrem Einsatz für den Kulissenbau, die Kostüme, die Musik, die Geräuschkulisse, die Beleuchtung und für den tollen Pausenimbiss ihr Bestes gaben. Ohne sie wäre ein so reibungsloser Ablauf der Aufführungen bestimmt nicht möglich gewesen!
Als Astrid Lindgren 1978 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde, gab sie ihrer Dankesrede, die sie anlässlich der Verleihung hielt, den Titel „Niemals Gewalt!“. Mit starken Worten machte sie deutlich, wie Vorurteile, Ablehnung von Fremden, verletzte Eitelkeit und das Streben nach Machterhalt schon immer zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt haben, und dies, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird, auch in Zukunft tun werden. – Vor diesem Hintergrund vermag die Geschichte von Ronja und Birk geradezu als ein Exempel dafür erscheinen, wie Abgründe zwischen verfeindeten Gruppierungen überwunden und friedliche Begegnungen möglich werden können.
Dass am Ende sogar etwas Neues, Gemeinsames entstehen kann, ist ein hohes Ziel, das in der Wirklichkeit zwar oft unerreichbar scheint, in einem Jugendbuch aber durchaus am Ende stehen darf. Zum Gelingen dessen muss auf allen Seiten viel geschehen. Dass Veränderungen aber überhaupt ihren Anfang nehmen können, das ist vor allem anderen der Kraft der Zuneigung zu verdanken, die Menschen auch dann miteinander verbinden kann, wenn sie, wie Ronja und Birk, aus einander feindselig gegenüberstehenden Gemeinschaften kommen.
Dieser ohnehin schon sehr lange Beitrag soll nicht enden ohne ein paar Worte über den enormen Einsatz an Zeit, Kraft und Herzblut, die in solch einem Klassenspiel stecken. Vielleicht kann nur die-, bzw. derjenige, der selber einmal ein Achtklassspiel einstudiert hat, ermessen, was alles vorzubereiten ist und wie viele Entscheidungen getroffen werden müssen – man denke nur an die Qualen der Rollenverteilung!!! – 1000 Dinge müssen herbeigeschafft, bedacht und mit Kollegen, Kolleginnen und Eltern besprochen werden. All dies so hinzukriegen, dass man, bzw. frau trotz der bis zum letzten Moment hochgradigen Anspannung und Aufregung die Aufführung im Vertrauen auf den guten Geist der Klasse genießen kann, das ist eine enorme Herausforderung! Dass dies den beiden Lehrerinnen, Andrea und Malena, ganz wunderbar gelungen ist, verdient große Anerkennung!
Vielen Dank allen Mitwirkenden und allen anderen, die zum Gelingen der Aufführungen beigetragen haben!
Maria Wittenstein, ehemalige Klassenlehrerin dieser Klasse