»Danke Rudi!« – Zum 100. Todestag von Rudolf Steiner

Rudolf Steiner entwickelte die Anthroposophie als spirituelle Weltanschauung und begründete davon ausgehend die Waldorfpädagogik. Er schaffte die Basis für eine biologisch-dynamische Landwirtschaft, arbeitete an einer alternativen Medizin und schlug ein Gesellschaftsmodell vor, dass auf einer sozialen Dreigliederung fußt. Eine zentrale Rolle spielte für ihn außerdem die Kunst, welche er als Brücke zwischen der sinnlichen und geistigen Welt begriff. Mit seiner ganzheitlichen Denkweise schuf Steiner so eine einzigartige Verbindung zwischen Kunst, Spiritualität, Wissenschaft und praktischem Leben. Und setzte Impulse, die bis heute wirken.

100 Jahre nach seinem Tod am 30. März 1925 haben viele Menschen weltweit Steiners Lebensleistung und Bedeutung gewürdigt. Vor allem in Stuttgart, dem Ursprungsort bedeutender anthroposophischer Initiativen, und Dornach in der Schweiz, dem Zentrum der anthroposophischen Bewegung, wurde Steiners „100. Himmelsgeburtstag“ gebührend gefeiert. „Danke Rudi!“ lautete auch die Initiative ehemaliger Waldorfschüler:innen. Hier waren Schüler:innen, Ehemalige, Eltern, Vereine etc. dazu aufgerufen, auf kreative Weise ihre Dankbarkeit für dasjenige zum Ausdruck zu bringen, was sich durch Steiners Ideen im Hier und Heute manifestiert hat.

Lokomotiven gesucht zur Festveranstaltung in der Karl Schubert Schule

Anlässlich des Steiner Festjahres 2025 trafen sich am 3. April auch in Leipzig viele engagierte Menschen aus den unterschiedlichsten anthroposophischen Handlungsfeldern. Sie alle kamen in der Karl Schubert Schule zusammen, um vor allem zu zeigen, wie Steiners Impulse vor Ort und in der Region leben. „Jeder hier ist in irgendeinem Bereich tätig, den es ohne Rudolf Steiner nicht geben würde“, so Andreas Luckner, Professor für Philosophie, Waldorfvater und langjähriges Mitglied im Vorstand der Freien Waldorfschule Leipzig. Zur Festveranstaltung hielt er einen Vortrag über Rudolf Steiner als Philosoph, Anthroposoph und Weltveränderer, der zeitlebens und bis heute Verehrung und Verachtung gleichermaßen auf sich gezogen hat. Bei aller Dankbarkeit, die Steiners Befürworter für sein Wirken empfinden, verdeutlichte Luckner aber vor allem dessen eigentliches Anliegen: Menschen in ihrer Initiativkraft zu stärken. „Ich brauche keine Anhänger, ich brauche Lokomotiven“, zitierte Luckner den Begründer der anthroposophischen Bewegung.

Mit diesem Bild vor Augen zeichnete er den Weg Rudolf Steiners, der sich vom Eisenbahnersohn über den Wissenschaftler und Philosophen zum Anthroposophen bis hin zum Lebensreformer entwickelt hatte. Vor allem in seiner Zeit in München, Stuttgart und Dornach eröffnete Steiner zahlreiche Praxisfelder auf anthroposophischer Grundlage. Das erste Feld war dasjenige der Künste: Vor allem die Architektur, aber auch Malerei und Musik haben wegweisende Impulse erfahren, mit der Eurythmie wurde sogar eine neue Kunstform geschaffen. Im politischen Feld suchte Steiner mit seiner sozialen Dreigliederung Antworten zu geben auf die Frage: Wie sieht eine Gesellschaft freier Individuen aus? Er trat ein für ein Zusammenleben, in dem Freiheit im Geistesleben, Gleichheit im Rechtsleben und Solidarität im Wirtschaftsleben herrschen. Damit fand er zur damaligen Zeit jedoch kein Gehör, wie Luckner im Vortrag beschrieb. Mehr oder weniger als Konsequenz dieser gescheiterten Versuche entwickelte Steiner ab 1919 die Waldorfpädagogik. Diese sollte Menschen dazu befähigen, zu freien, in sich selbst gegründeten Persönlichkeiten heranzuwachsen, die mit Herz- und Willenskraft in der Welt tätig werden. Zudem hielt er zahlreiche Vorträge zu den verschiedensten Themengebieten und brachte zusammen mit der Ärztin Ita Wegmann in den letzten Jahren seines Schaffens die anthroposophische Medizin auf den Weg.

Was hat Steiner uns 100 Jahre später noch zu sagen? „Rudolf Steiner hat auch Antworten auf Fragen gegeben, die noch gar nicht gestellt wurden“, so Luckner abschließend. Viele Aussagen in Steiners Vorträgen haben geradezu prophetischen Charakter und sind heute aktueller denn je. Bei der Auseinandersetzung mit seinem Werk und Schaffen gilt es laut Luckner aber, einen eigenen Zugang zu ihm zu finden, ihn nicht zu dogmatisieren und aus eigener Ansicht handeln zu können – eben zur Lokomotive zu werden.

15 anthroposphische Initiativen aus Leipzig stellen sich vor

Im Anschluss präsentierten sich die zahlreichen anthroposophischen Initiativen aus Leipzig in kurzen Impulsvorträgen. Den Anfang machten die Priesterinnen der Christengemeinschaft Kirsten Rennert und Kateryna Gagarina. Als Seelensorgerinnen geben sie den Logos, also das Wort bzw. den Sinn des Daseins, an die Gemeinschaft weiter, so Rennert. In den Räumen der Christengemeinschaft ist auch der anthroposophische Zweig ansässig, der regelmäßig am Mittwochabend zusammenkommt und sich mit Werken Steiners auseinandersetzt, wie Peter Romstedt berichtete. Stefanie Benke stellte danach die Freie Hochschule für Geisteswissenschaften vor, die Mitglieder:innen der anthroposophischen Gesellschaft in Leipzig einen Weg für die spirituelle Schulung anbietet.

Ein zentrales Element der anthroposophischen Lehre ist die Eurythmie. Die Bewegungskunst bezeichnete Steiner als „überlebensnotwendig“ für alle anderen Disziplinen, wie Eurythmielehrerin Tuula Hadamovsky in ihrem Impuls beschrieb. Daran anknüpfend stellte Kathrin Schröder die Heileurythmie vor, die wie auch alle anderen anthroposophischen Therapierichtungen eine Möglichkeit anbietet, die Selbstheilungskräfte anzusprechen und so den Menschen in Heilung zu bringen. Im Bereich der anthroposophischen Medizin gibt es in Leipzig mittlerweile acht praktizierende Ärzt:innen, wie Johannes Kux im Impuls erzählte. Diese stützen sich zwar grundlegend auf die Schulmedizin, beziehen aber auch die geistige und spirituelle Perspektive in ihre Heilarbeit mit ein.

Ein großes Anliegen Steiners war auch eine biologisch-dynamische Landwirtschaft als Grundlage für eine gesunde Ernährung. Im Kurzimpuls beschrieb Reinhard Sommer vom Leipziger Demeter-Betrieb Linke Hof die Entstehung der Marke Demeter und verwies gleichzeitig auf die Krise, in der sich der Ökolandbau aktuell befindet. Malte Bauer vom Hofgut Kreuma, das ebenfalls dem biologisch-dynamischen Prinzip folgt, berichtete, wie trotz der Widrigkeiten die Vielfalt auf seinem Hof gewachsen ist. Mit der Gründung der Waldorfschule Gut Loberthal 2019 in Rackwitz hat der Hof eine weitere Dimension als Lehr- und Lernort für die aktuell vier Klassen angenommen. Vorstand der noch jungen Schule Malte Erb-Szymanski erzählte von dem Anliegen der Initiative, die ersten Ideen Steiners zur schulischen Bildung von Kindern und Jugendlichen im handlungspädagogischen Sinne neu zu ergreifen.

Stellvertretend für die Schule in Mockau als eine der ersten Waldorfschulen der Wendezeit sprachen die Klassenlehrkräfte Cornelia Debus und Max Reschke. Die FWS hatte sich 1990 im praktisch rechtsfreien Raum entfaltet und ist seither schnell gewachsen. Als etablierte Einrichtung in Leipzig ist sie geprägt von den erhaltenden Kräften des erfahrenen Kollegiums und den neuen Impulsen der jungen Lehrkräfte, so Reschke. Klassenlehrer Jonas von Knobelsdorff-Brenkenhoff beschrieb anschließend den ganzheitlich pädagogischen Blick der 2011 gegründeten Karl Schubert Schule in Lößnig. Die inklusiv arbeitende Schule möchte für jeden Menschen einen Platz schaffen. Unterstützt wird sie dabei von Fachkräften aus der Heilpädagogik. Dieser Bereich der anthroposophischen Lehre wurde von Anne Peters vorgestellt. Die Karl Schubert Schule hat außerdem eine enge Verbindung zur Initiative Zukunftswerkstatt Inklusion Leipzig, die auf der Johannis-Höhe in Dölitz-Dösen beheimatet ist. Hier finden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene einen Ort inklusiver Bildung und Begegnung, wie Bea Meyer beschrieb.

In Vertretung für die vier waldorfpädagogischen Kindergärten sprach Margarethe Sommer über ihre erfüllende Arbeit, Kinder durch vielfältige Sinneserfahrungen ins Leben zu führen. Im letzten Impuls an diesem Nachmittag stellte Nina Luckner die in Leipzig ansässige Lehrerbildungsstätte Campus Mitte-Ost vor. Diese sei gewissermaßen das „waldorfpädagogische Versorgungszentrum“ der Region, in dem angehende und auch praktizierende Pädagog:innen mit dem notwendigen Wissen und Handwerkszeug für die Arbeit in Waldorfeinrichtungen ausgerüstet werden.

Zum Abschluss der Festveranstaltung inszenierte Jonas von Knobelsdorff-Brenkendorff Goethes Gedicht „Prometheus“, welches für Rudolf Steiner zeitlebens eine besondere Bedeutung hatte. In seiner Darstellung demonstrierte er auf humorvolle Weise die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf Freiheit des Geistes und den Unzulänglichkeiten, die innere Schöpferkraft zum Ausdruck zu bringen. Wie das am Ende aber doch gelingen kann, zeigen die vielen Initiativen, die im Sinne Steiners 100 Jahre nach seinem Tod auch unser Leben hier in Leipzig bereichern.

Katrin Kühne

Bildnachweis: ©Alexander Schmidt/punctum

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